Logo der Universitätsmedizin Mainz
Visual Universitätsmedizin Mainz

Bei Darmkrebs spielt das DNA-Reparaturenzym PARP eine zweischneidige Rolle

Erkenntnisse über gegensätzliche Funktion in „PNAS“ veröffentlicht
Das an der DNA-Reparatur beteiligte Protein Poly(ADP-Ribose)-Polymerase 1, kurz PARP-1, ist bei der Darmkrebsentstehung ein zweischneidiges Schwert: Einerseits schützt es das Erbgut vor Schäden und unterdrückt die Auslösung von Tumoren. Andererseits fördert es Entzündungsvorgänge im Darm und forciert damit das Tumorwachstum. Das haben Wissenschaftler vom Institut für Toxikologie und anderen Einrichtungen der Universitätsmedizin Mainz in Zusammenarbeit mit Forschern der Justus-Liebig-Universität Gießen, dem Institut für Molekulare Biologie in Mainz und den Universitäten Konstanz, Straßburg und Zürich herausgefunden. Die gewonnen Forschungserkenntnisse könnten langfristig sowohl der Darmkrebsprävention bei bereits vorhandenen chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen als auch der Darmkrebstherapie nutzen. Sie sind nachzulesen in der renommierten wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of USA (PNAS)“. Darmkrebs gehört weltweit zu den häufigsten Tumorerkrankungen. In den westlichen Industrienationen ist er für rund zehn Prozent aller krebsbedingten Todesfälle verantwortlich. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und genetische Defekte erhöhen das Erkrankungsrisiko deutlich. Es wird angenommen, dass krebserregende Stoffe, die über die Nahrung aufgenommen oder im Darm gebildet werden, die DNA des Darmepithels schädigen. Dies kann zu deren maligner, also bösartiger Entartung führen. Eine wichtige Rolle als Schutzfaktor nimmt in diesem Zusammenhang die DNA-Reparatur ein. Daher hat es auch gravierende Auswirkungen auf die genomische Stabilität und die Entstehung von Darmkrebs, wenn sich die Kapazität der DNA-Reparatur verändert. Beispielsweise bedingen Defekte in der Basenfehlpaarungs-Reparatur ursächlich die erbliche Form des Darmkrebses. Ein DNA-Reparaturenzym, das häufig in Tumoren des Dickdarms, sogenannten Kolon-Karzinomen, in erhöhter Menge vorhanden ist, ist die Poly(ADP-Ribose)-Polymerase 1 (PARP-1). Dieses Enzym spielt zum einen eine Rolle bei der DNA-Reparatur: Es erkennt DNA-Brüche und reguliert das Ausschneiden fehlerhafter Basen aus der DNA. Zum anderen beeinflusst es aber auch ganz andere Vorgänge, wie beispielsweise Entzündungsprozesse, die im Zusammenhang mit der Entstehung von Darmkrebs stehen. Vor diesem Hintergrund hat sich Prof. Dr. Bernd Kaina vom Institut für Toxikologie zusammen mit Dr. Jörg Fahrer (inzwischen Professor an der Justus-Liebig-Universität Gießen) und in Kooperation mit Wissenschaftlern anderer Einrichtungen der Universitätsmedizin Mainz sowie von Forschungseinrichtungen und Universitäten in Mainz, Zürich, Straßburg und Konstanz die Frage gestellt, welchen Einfluss PARP-1 bei der Darmkrebsentstehung tatsächlich hat. Als Modellsystem zur Beantwortung dieser Frage verwendeten die Wissenschaftler PARP-1 Knockout-Mäuse, also Tiere, die kein PARP-1 bilden können. Es zeigte sich, dass PARP-1 hilft, die durch den krebserregenden Stoff Azoxymethan erzeugten DNA-Schäden zu reparieren und somit als Schutzfaktor bei der Tumorentstehung angesehen werden kann. Andererseits fördert PARP-1 aber auch die Tumorprogression im Zuge einer chronischen Entzündung des Darms. Dies ist darauf zurück zu führen, dass PARP-1 die Wirkung des Transkriptionsfaktors NF-kB verstärkt und somit inflammatorische, also entzündungsrelevante Vorgänge stimuliert. PARP-1 ist folglich ein zweischneidiges Schwert: Es hilft, DNA-Schäden zu reparieren und damit hemmt es die Tumorgenese im Anfangsstadium (die Tumorinitiation), gleichzeitig fördert es Entzündungsvorgänge und damit die Tumorprogression. Die gewonnen wissenschaftlichen Ergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse für die Darmkrebsprävention, insbesondere auch bei Patientinnen und Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Zudem stellen sie die Wissenschaft vor die Frage, wie die verstärkte Expression von PARP-1 in Darmtumoren, die ebenso in dieser Arbeit nachgewiesen wurde, zu bewerten sei. Eine mögliche Antwort könnte sein, dass PARP-1 über seine Rolle als Entzündungsmediator die Bildung anderer gentoxischer Metabolite wie reaktive Sauerstoffspezies verstärkt und es somit zu weiteren DNA-Schäden kommt, die die Tumorprogression verstärken. Folglich könnte es sein, so eine Arbeitshypothese von Professor Kaina und seinen Forscherkollegen, dass eine pharmakologische Hemmung von PARP-1 die Darmkrebsprogression hemmt. Dies gilt es in weiteren Studien zu beweisen. Informationen zur Originalstudie:
PARP-1 protects against colorectal tumor induction, but promotes inflammation-driven colorectal tumor progression; Bastian Dörsam, Nina Seiwert, Sebastian Foersch, Svenja Stroh, Georg Nagel, Diana Begaliew, Erika Diehl, Alexander Kraus, Maureen McKeague, Vera Minneker, Vassilis Roukos, Sonja Reißig, Ari Waisman, Markus Moehler, Anna Stier, Aswin Mangerich, Françoise Dantzer, Bernd Kaina, and Jörg Fahrer (2018) Proc. Natl. Acad. Sci. U S A., 115 (17) 4061-4070; DOI: 10.1073/pnas.1712345115 Kontakt
Univ.-Prof. Dr. Bernd Kaina,
Institut für Toxikologie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,
Telefon: 06131-17-9217, E-Mail: kaina@uni-mainz.de Pressekontakt
Barbara Reinke, Unternehmenskommunikation Universitätsmedizin Mainz,
Telefon 06131 17-7424, Fax 06131 17-3496, E-Mail: pr@unimedizin-mainz.de Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Rund 3.400 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz ausgebildet. Mit rund 7.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Universitätsmedizin zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de