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Heilung des Birk-Barel-Syndroms möglich?

Universitätsmedizin Mainz entdeckt neuen Therapieansatz gegen seltene genetische Erkrankung
Intelligenzminderung, Gedächtnisstörungen und Hyperaktivität – diese Verhaltensauffälligkeiten können Symptome der seltenen Erkrankung Birk-Barel-Syndrom sein. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz haben nun entdeckt, dass das Syndrom durch die Behandlung mit einem speziellen Molekül im Tiermodell geheilt werden kann. Bisher ist die Krankheit, wie viele andere mit ähnlicher Symptomatik, nicht heilbar, Betroffene sind ihr Leben lang auf Hilfe angewiesen. Die Ergebnisse der Mainzer Studie sind in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht worden. Beim Birk-Barel-Syndrom handelt es sich um eine seltene genetische Erkrankung, die von der Mutter vererbt werden kann. Ursache sind Mutationen in einem Gen, dem sogenannten Kcnk9-Gen. Als gesundes, unmutiertes Gen produziert es einen Kaliumkanal im Gehirn, der den Transport von Kalium und dadurch die normale Funktion von Nervenzellen gewährleistet. Durch die Mutation kommt es zu Fehlern in der Kalium-Homöostase und damit zu Fehlern in der Stimulation der betroffenen Neuronen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz sowie kooperierender Forschungseinrichtungen haben nun an Mäusen gezeigt, dass die Behandlung mit einem Molekül namens „HDAC-Inhibitor CI-994“ die Krankheit heilen kann. Wie sie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Nature Communications“ berichten, hatten sie Mäusen mit einer Mutation im mütterlichen Allel des Kcnk9-Gens das Molekül injiziert. „Dadurch wurden die Mäuse komplett kuriert“, sagt die Leiterin der Studie, Univ.-Prof. Dr. Susann Schweiger vom Zentrum für seltene Erkrankungen des Nervensystems der Universitätsmedizin Mainz. „Die Tiere verloren ihre Verhaltensauffälligkeiten und verhielten sich wie gesunde Artgenossen.“ Der Grund für die Heilung wie für die Krankheit liegt in einer besonderen Eigenschaft des Kcnk9-Gens: Im Gegensatz zu vielen anderen Genen ist bei ihm grundsätzlich nur die von der Mutter vererbte Kopie, nicht auch die väterliche, aktiv. Wird von der Mutter eine Mutation in diesem Gen vererbt, ist es beim Kind vollständig ausgeschaltet und es kommt zur Bildung des Birk-Barel-Syndroms. „Der HDAC-Inhibitor CI-994 kann jedoch die väterliche Kopie aktivieren und dadurch die von der Krankheit verursachten Defekte reparieren“, sagt Schweiger. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass der therapeutische Nutzen des HDAC-Inhibitors für Patienten mit Birk-Barel-Syndrom, aber auch für Patienten mit ähnlichen Erkrankungen sehr vielversprechend ist.“ Grundsätzlich sei die genaktivierende Wirkung des Moleküls bereits bekannt gewesen, gegen das Birk-Barel-Syndrom sei es bisher aber nicht verwendet worden. In klinischen Studien soll nun die Wirksamkeit der neuen Therapie für Patienten belegt werden. Im Zentrum für seltene Erkrankungen des Nervensystems der Universitätsmedizin Mainz (ZSEN) haben sich Experten unterschiedlicher Disziplinen zusammengeschlossen, um die Behandlung von Patienten mit seltenen Krankheiten zu verbessern. Unklare Fälle werden hier interdisziplinär begutachtet, was die Diagnosefindung erleichtert. Außerdem werden durch gemeinsame Forschung neue Therapien entwickelt. Das ZSEN ist Teil des Forschungszentrums Translationale Neurowissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, in dem unter anderem Humangenetiker, Kinderärzte, Neurologen, Psychiater, Neurophysiologen, Biochemiker und Biologen zusammenarbeiten.

 

Weitere Informationen: Originalpublikation:
Inhibition of histone deacetylation rescues phenotype in a mouse model of Birk-Barel intellectual disability syndrome;
Alexis Cooper, Tamer Butto, Niklas Hammer, Somanath Jagannath, Desiree Lucia Fend-Guella, Junaid Akhtar, Konstantin Radyushkin, Florian Lesage, Jennifer Winter, Susanne Strand, Jochen Roeper, Ulrich Zechner & Susann Schweiger;
Nature Communications 11, 480 (2020)
DOI: 10.1038/s41467-019-13918-4
Link: https://www.nature.com/articles/s41467-019-13918-4 Kontakt
Univ.-Prof. Dr. med. Susann Schweiger, Institut für Humangenetik,
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