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Kann das Medikament Metformin der Huntington-Erkrankung vorbeugen?

Mainzer Wissenschaftler erzielen im Tiermodell viel versprechende Ergebnisse
Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz haben im Tiermodell gezeigt, dass das Diabetes-Medikament Metformin in der Lage ist, den Verlauf der Huntington-Erkrankung zu stoppen, und zwar lange bevor sich die ersten klinischen Symptome zeigen. Die Ergebnisse sind viel versprechend, da es trotz intensiver Forschung bisher keine Therapie für die Erkrankung gibt. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fach-Zeitschrift „eLife“. Folgestudien müssen nun zeigen, ob sich durch Metformin tatsächlich auch die erst später auftretenden Symptome der Huntington-Erkrankung verhindern lassen. Die Huntington-Erkrankung ist eine schwere, progressive Erkrankung des Zentralnervensystems. Sie bricht in der Regel im mittleren Lebensalter aus – also im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Uncharakteristische Frühsymptome sind zum Beispiel subtile Persönlichkeitsveränderungen und Konzentrationsverlust. Später, im manifesten Stadium, ist die Erkrankung durch eine Bewegungsstörung – im Fachjargon Chorea –, psychiatrische Symptome wie zum Beispiel Depressionen und Demenz charakterisiert. Innerhalb von etwa 10 bis 15 Jahren nach Ausbruch der Erkrankung versterben die Patienten. Die Huntington-Erkrankung ist eine Erbkrankheit mit einem 50-prozentigen Risiko für Patienten, die Erkrankung an ihre Kinder weiterzugeben. Nachkommen von Patienten sind somit nicht nur mit einem krank und kränker werdenden Elternteil konfrontiert, sondern auch mit ihrem eigenen Risiko, dieselbe Erkrankung auszuprägen. Der Gendefekt, der zur Huntington-Erkrankung führt,ist seit den 90er Jahren bekannt. So wurde es möglich, Familienangehörige von Betroffenen prädiktiv zu testen. Trotz intensiver Forschung gibt es aber nach wie vor keine Therapie für diese schwere Erkrankung. Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz haben nun die Hypothese aufgestellt, dass die Huntington-Erkrankung nicht erst zum Zeitpunkt des Auftretens klinischer Symptome oder kurz davor das Gehirn angreift. „Wir haben überlegt, dass das aufgrund des Gendefekts veränderte Eiweiss wahrscheinlich bereits sehr lange vor der ersten Krankheitsmanifestation kleine Schäden im Gehirn verursacht und dass diese kleinen Schäden das neuronale Netzwerk subtil stören“, berichtet Univ.-Prof. Dr. Susann Schweiger, Direktorin des Instituts für Humangenetik und Sprecherin des Forschungszentrums Translationale Neurowissenschaften (FTN). „Wir haben weiter vermutet, dass die Behandlung dieser kleinen, sehr frühen Störungen nötig ist, um die Krankheit effektiv zu stoppen.“ Diese Hypothese untersuchten die Wissenschaftler in Mäusen, die die Huntington Mutation tragen und im Laufe von etwa ein bis zwei Jahren eine Huntington-ähnliche Erkrankung entwickeln. Mit Hilfe von hochauflösender 2-Photonen Mikroskopie konnten sie im Gehirn der Mäuse – lange bevor diese Symptome zeigten – einzelne Neuronen identifizieren, die deutlich aktiver als der Rest der Zellen waren. Solche hyperaktiven Zellen wurden in gesunden Kontrolltieren nicht gefunden. „Weiterhin konnten wir zeigen, dass diese einzelnen hyperaktiven Zellen die Aktivität des gesamten Netzwerkes in Richtung Hyperaktivität verschieben“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Albrecht Stroh vom Institut für Pathophysiologie. Aus ihren früheren Arbeiten war den Wissenschaftlern bekannt, dass das altbekannte Medikament Metformin, das gegen Typ II-Diabetes eingesetzt wird, auch neuroprotektive Wirkung haben kann. In ihrer aktuellen Arbeit konnten sie nun zeigen, dass durch Metformin-Gabe die frühen Veränderungen des neuronalen Netzwerks ebenso wie Verhaltensauffälligkeiten verschwinden. „Diese Ergebnisse bedeuten, dass Metformin, wenn es lange bevor die Krankheit ausbricht, verabreicht wird, den Krankheitsprozess im Tiermodell stoppen kann“, erklärt Susann Schweiger. „In künftigen Studien wollen wir nun untersuchen, ob sich mit den frühen, chronischen Metformingaben auch wirklich die später auftretenden Krankheitszeichen verhindern und Hirnnetzwerke stabilisieren lassen,“ fügt Albrecht Stroh hinzu. Außerdem planen die Wissenschaftler eine proof-of-concept Studie mit Huntington-Patienten, die sich in einem frühen Krankheitsstadium befinden, um herauszufinden, ob die orale Gabe von Metformin auch im Menschen zur Reduktion von krankheitsverursachendem Eiweiss führt. „Wenn auch diese Untersuchungen erfolgsversprechend ausfallen, wäre der nächste Schritt zu untersuchen, ob durch Gabe von Metformin in sehr jungen Mutationsträgern die Huntington-Erkrankung tatsächlich aufgehalten werden kann“, zeigt Susann Schweiger die nächsten Schritte auf. „Dies wäre ein großer Erfolg, der aber noch einige Zeit dauern kann. So würde die proof-of-concept Studie etwa zwei Jahre in Anspruch nehmen. Die Anschlussstudie könnte dann in etwa drei bis fünf Jahren anlaufen.“ Originalpublikation: Metformin reverses early cortical network dysfunction and behavior changes in Huntington's disease, Isabelle Arnoux, Michael Willam, Nadine Griesche, Jennifer Krummeich, Hirofumi Watari, Nina Offermann, Stephanie Weber, Partha Narayan Dey, Changwei Chen, Olivia Monteiro, Sven Buettner, Katharina Meyer, Daniele Bano, Konstantin Radyushkin, Rosamund Langston, Jeremy J Lambert, Erich Wanker, Axel Methner, Sybille Krauss , Susann Schweiger, Albrecht StroheLife 2018;7:e38744 doi: 10.7554/eLife.38744, elifesciences.org/articles/38744 Bildunterzeile: Bei den Aufnahmen handelt es sich um sogenannte, die über einen Ca- Indikator aktive Nervenzellen detektieren. Darunter sind die Aktivitätsableitungen des neuronalen Netzwerks. Ein kleiner Peak ist dabei immer eine aktiv feuernde Zelle. In der nicht mit Metformin behandelten Hdh150 (Huntington, Mitte) Spur sind deutlich mehr Peaks zu sehen, als in der Kontrolle (links) und im Metformin behandelten Hdh150 Tier ( rechts). Bildquelle: Univ.-Prof. Dr. Susann Schweiger-Seemann, Universitätsmedizin Mainz Weitere Informationen: Dr. Renée Dillinger-Reiter, Stabsstelle Unternehmenskommunikation Universitätsmedizin Mainz,
Telefon: 06131/17-7424, Fax: 06131/17-3496, E-Mail: pr@unimedizin-mainz.de Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
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