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Nächtlicher Bahnlärm führt zu Gefäßschäden

Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz weisen thrombotische und entzündliche Veränderungen von Bluteiweißen nach

Eine Studie des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz belegt negative Auswirkungen nächtlichen Bahnlärms. Foto: Peter Pulkowski (Universitätsmedizin Mainz)

Eine aktuelle Publikation des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz im renommierten Herz-Kreislauf-Journal „Basic Research in Cardiology“ demonstriert erstmals Befunde, die das vermehrte Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Folge von Bahnlärm erklären. Nach eher konservativen Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden pro Jahr lärmbedingt 61.000 gesunde Lebensjahre aufgrund von Herzdurchblutungsstörungen, 45.000 aufgrund von kognitiven Wahrnehmungsbeeinträchtigungen von Kindern, 903.000 aufgrund von Schlafstörungen, 22.000 aufgrund von Tinnitus und 654.000 aufgrund von Ärger-Reaktion (Annoyance) verloren gehen. Anders ausgedrückt: Bis zu 1.6 Millionen gesunde Lebensjahre gehen jährlich in Westeuropa durch Lärm verloren. Insbesondere das Rhein-Main-Gebiet ist starken Belastungen durch Straßen-, Schienen- und Fluglärm ausgesetzt. Im Mittelrheintal registriert man bis zu 130 Züge pro Nacht, Spitzenschallpegel bis zu 90 dB(A) und mittlere Schallpegel von circa 60 dB(A). Die Weltgesundheitsorganisation hingegen empfiehlt mittlere Schallpegel für die Nacht von 44 dB(A) (Lnight), da bei höheren Schallpegeln mit Schlafstörungen und mehr Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu rechnen ist. In Feldversuchen in den Jahren 2012-2015 konnte die Arbeitsgruppe von Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor am Zentrum der Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz, nachweisen, dass simulierter nächtlicher Fluglärm die Gefäßfunktion (Endothelfunktion) von Gesunden und Patienten mit einer etablierten koronaren Herzerkrankung deutlich verschlechtert, Stresshormone erhöht und eine drastische Verschlechterung der Schlafqualität bewirkt. Bisher gab es keine Lärmwirkungsforschung, die unter kontrollierten Bedingungen die Auswirkungen von Bahnlärm auf die Gefäßfunktion untersucht hat. In der aktuellen Untersuchung führte simulierter nächtlicher Bahnlärm mit 65 dB(A) Spitzenlärmpegeln und bis zu 54 dB(A) mittleren Schalldruckpegeln (30-60 Züge pro Nacht) bei den lärmexponierten Probanden zu einer substanziellen Verschlechterung der Endothelfunktion, einem etablierten Parameter in der Kardiologie zur Diagnostizierung der Frühphasen der Atherosklerose (Gefäßverkalkung). Dieser Gefäßschaden konnte durch die Akutgabe von Vitamin C (zwei Gramm p.o.) deutlich verbessert werden. Gleichzeitig wurden im Blut von bahnlärmexponierten Probanden Veränderungen der Eiweiße in Richtung Thrombose und Entzündung festgestellt, die das erhöhte Risiko bei der Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt und Herzschwäche erklären können. Das Studienteam bestehend aus u.a. Johannes Herzog, Univ.-Prof. Dr. Andreas Daiber, Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel und Univ.-Prof. Dr. Philip Wild von der Universitätsmedizin Mainz sowie der renommierten Lärmforscherin Mette Sørensen (M.Sc., PhD) von der University of Southern Denmark zeigt sich vom Ausmaß der Gefäßschädigung überrascht: „Diese Veränderungen der Gefäßfunktion sehen wir normalerweise nur bei Patienten mit ausgeprägten Risikofaktoren wie hohem Cholesterin, Diabetes oder bei Rauchern. Die Tatsache, dass Vitamin C die Gefäßfunktion verbessert, bedeutet, dass freie Radikale eine wichtige Rolle als Verursacher des Gefäßschadens spielen. Eine therapeutische Bedeutung haben die Vitamin C-Ergebnisse jedoch nicht, da dessen Wirksamkeit bei kontinuierlicher Anwendung verloren geht. Die signifikanten Änderungen in den Blutplasmaspiegeln von 31 Proteinen, die überwiegend für prothrombotische, pro-oxidative und pro-inflammatorische Prozesse verantwortlich sind, sind alarmierend.“ Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel ergänzt: „Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass nächtlicher Bahnlärm aufgrund der negativen Auswirkungen auf die Gefäßfunktion einen wichtigen Herz-Kreislauf-Risikofaktor darstellt. Die aktuellen WHO-Empfehlungen in Bezug auf Lärm in der Nacht, ausgelöst durch Zuglärm (Lnight 44 dB(A)), werden im Rheintal substanziell und dauerhaft überschritten und das muss gesundheitspolitische Konsequenzen haben.“ Weitere Informationen: Originalpublikation:
Johannes Herzog, Frank P. Schmidt, Omar Hahad, Seyed H. Mahmoudpour, Alina K. Mangold, Pascal Garcia Andreo, Jürgen Prochaska, Thomas Koeck, Philipp S. Wild, Mette Sørensen, Andreas Daiber, Thomas Münzel. Acute exposure to nocturnal train noise induces endothelial dysfunction and pro-thromboinflammatory changes of the plasma proteome in healthy subjects. Basic Research in Cardiology. Link: https://link.springer.com/article/10.1007/s00395-019-0753-y  Bildunterschrift: Eine Studie des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz belegt negative Auswirkungen nächtlichen Bahnlärms.
Foto:
Peter Pulkowski (Universitätsmedizin Mainz) Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel,
Direktor des Zentrums für Kardiologie, Kardiologie I, der Universitätsmedizin Mainz,
Telefon: 06131 17-7250, E-Mail: tmuenzel@uni-mainz.de
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